Die Rolle der molekularen Chaperone bei der Transkription: Auswirkungen in der Biomedizin und Evolution
Forschungsbericht (importiert) 2015 - Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik
Die Rolle molekularer Chaperone bei der Transkription
Die Stabilität zellulärer Proteine wird durch die Wirkung der stabilisierenden molekularen Chaperone und den Abbau durch das Proteasom bestimmt. Der Prozess der Stabilisierung der Onkoproteine durch Chaperone ist für Krebserkrankungen sehr wichtig; chemische Inhibitoren von Chaperonen sind wirksame Antikrebsmittel. Wie Chaperone die Halbwertszeit eines Proteins im Cytosol kontrollieren, ist gut erforscht. Allerdings ist die Regulation der Transkription von Chaperonen am Chromatin unklar und wie sich dieser Prozess in der Folge von Krebs verändert, ist von großem Interesse.
Chaperone, wie zum Beispiel das Hitzeschock-Protein 90 (Hsp90), helfen Proteinen, sich in ihre endgültige Struktur zu falten. Hsp90 wirkt an nur wenigen Proteinen, wie Kinasen und Transkriptionsfaktoren, die für Signalwege und Entwicklung wichtig sind und die bei Vorliegen von Krebs gestört werden. Frühere Arbeiten hatten gezeigt, dass Hsp90 die Chromatinstruktur an einigen Genpromotoren bindet [1]. Welche Funktion hat das Chromatin-assoziierte Hsp90? Warum benötigen Proteine, die an das Chromatin gebunden sind, das Chaperoning?
Studien an Hefen, Pflanzen und Tieren deuten darauf hin, dass Hsp90 genetische Variationen ausgleichen kann [2]. Das bedeutet, dass zwei Personen mit unterschiedlichen DNA-Sequenzen in ihren Genomen unter normalen Bedingungen ein sehr ähnliches Aussehen, Verhalten und andere gemeinsame Eigenschaften aufweisen. Wird Hsp90 gehemmt, werden die beiden Personen unterschiedlich aussehen und agieren. Der molekulare Mechanismus, durch den Hsp90 genetische Variation ausgleicht, ist nicht vollständig verstanden. Wenn Hsp90 an das Chromatin in Promotoren bindet, kann es dann vielleicht Unterschiede in den DNA-Sequenzen von Genpromotoren unterdrücken? Die jüngste Sequenzierung von Tausend verschiedenen menschlichen Genomen hat bereits angedeutet, dass Gen-Promotoren innerhalb der menschlichen Bevölkerung verschiedene Sequenzen aufweisen. Es ist bekannt, dass einige dieser Variationen in Promotoren durch das Eindringen von Transposons verursacht werden. Dies deutet darauf hin, dass sich die Sequenzen eines Gen-Promotors in zwei Individuen dadurch unterscheiden, dass bei einer Person ein Transposon im Promotor vorliegt und und bei der anderen nicht. Kann Hsp90 solcherlei Variationen wieder ausgleichen?
Aktuelle Daten zeigen nun, dass eine bestimmte Untergruppe von Transposons in embryonalen Stammzellen der Maus aktiviert wird, sobald Hsp90 nicht mehr wirkt. Dies führt zu einer erhöhten Expression benachbarter Gene, was andeutet, dass die Transkription bestimmter Gene aufgrund ihrer Nähe zu Transposons empfindlicher auf die Hemmung von Hsp90 reagiert. Wenn zwei Personen unterschiedliche genomische Positionen aufweisen, an denen Transposons vorhanden sind, dann werden demnach diese beiden Personen verschiedene Gene bei Hemmung der Wirkung von Hsp90 hochregulieren. Wenn die differentiell exprimierten Gene morphologische Eigenschaften, wie beispielsweise die Zahnstellung, bedingen, dann führt die Hemmung von Hsp90 zu unterschiedlichen Morphologien bei den beiden Personen. Die logische Folge dieser Interpretation ist, dass die Funktion von Hsp90 am Ende darin besteht, die Aktivität von Transposons an und für sich niedrig zu halten und es dadurch zu ähnlichen Phänotypen von Individuen einer Population kommt. Daher unterstreichen die Studien der Forschungsgruppe die Funktion von Hsp90 als Puffer genetischer Variation, die durch Einfügen von Transposons verursacht wurde. Die Arbeiten sind somit ein wichtiger Schritt zur Lösung eines der Rätsel molekularer Evolution: Die mechanistische Grundlage der Pufferfunktion von Hsp90.
Die Rolle des nuklearen Hsp90 bei der Krebs-Pathogenese
Hsp90-Inhibitoren wurden klinischen Studien zufolge erfolgreich gegen Leukämie eingesetzt [2] und in vielen Fällen von Leukämie ist die Ursache eine Fehlregulierung der Transkription. Beides legt nahe, dass im Zellkern lokalisiertes Hsp90 ein wichtiges target von Hsp90-Inhibitoren ist, wahrscheinlich noch zusätzlich zu zytosolisch lokalisiertem Hsp90.
Hsp90 ist nachweislich für die Strukturgebung bestimmter Transkriptionsfaktoren und Kinasen erforderlich [2]. Nur vollständig und korrekt gefaltete Proteine gelangen in den Zellkern, was darauf hindeutet, dass die meisten Proteine, einmal in den Zellkern gelangt, kein Hsp90 benötigen. Was also ist die Funktion von Hsp90 im Zellkern und insbesondere dessen Rolle bezüglich des Chromatin? Mit welchen Proteinen oder Proteinkomplexen interagiert Hsp90? Um diese Fragen zu beantworten, haben die Forscher am Max-Planck-Institut in Freiburg Hsp90-Proteinkomplexe aus den Kernen menschlicher Zellen isoliert und gereinigt. Ein Proteom-weiter Ansatz ermöglichte dann nachfolgend die Erstellung eines Netzwerks von Proteinen, die von Hsp90 im Zellkern gebunden werden. Es stellte sich heraus, dass ein paar wichtige epigenetische Regulatoren an Hsp90 binden, einschließlich einer Ubiquitin-Ligase, die den Abbau von DNA-Methyltransferasen verursacht. Darüber hinaus sind in dem Interaktom mehrere Komponenten des BRG-1-assoziierten Faktor I-Komplex (BAF-Komplex) angereichert. Der BAF-Komplex ist für seine Rolle beim Chromatin remodeling bekannt und viele Untereinheiten des Komplexes sind in der Mehrheit der pädiatrischen Krebserkrankungen mutiert. Es ist wahrscheinlich, dass die Chromatin remodeling Aktivität des BAF-1-Komplexes von der Chaperon-Funktion von Hsp90 abhängt. Hsp90 Hemmung führt zum Abbau des BAF-1-Komplexes und beeinflusst anschließend die Proliferation von Krebszellen.
Es ist sehr schwierig, zwischen den Funktionen von Hsp90 im Cytosol und im Zellkern zu unterscheiden. Wenn das chaperoning im Zellkern relevant für die Pathogenese von Krebs ist, könnte die Hemmung von cytosolischem Hsp90 zu unbeabsichtigten, negativen Nebenwirkungen führen. Um Inhibitoren zu entwickeln, die nur im Zellkern funktionieren, werden daher jetzt mehrere optogenetische und chemisch-genetische Ansätze ausprobiert. Dabei wird außerhalb der Zelle eine Kern-Lokalisations-Signal-Sequenz an die Peptidsequenz des Inhibitors hinzugefügt, damit dieser den Zellkern gezielt erreichen kann. Wenn dies gelingt, würde eine solche Strategie den Weg zum gezielten Eingreifen von Hsp90 im Zellkern für eine Anwendung als Krebstherapeutikum ebnen.