Gesetzliche Vorgaben und das 4R-Prinzip
Das deutsche Tierschutzrecht ist eines der strengsten weltweit. Zusätzlich fühlen wir uns dem 3R-Prinzip (Replacement, Reduction, Refinement) sowie dem vierten R der Max-Planck-Gesellschaft für Responsibility verpflichtet.
Genehmigung von Tierversuchen
Aus der Arbeit mit den Tieren erwächst eine große ethische Verantwortung, die das Institut ebenso wie die einzelnen Wissenschaftler:innen sehr ernst nehmen. Alle Versuche werden sorgfältig geplant. Denn jeder Tierversuch muss begründet und genau beschrieben werden. Der erwartete wissenschaftliche Nutzen muss gegen die Belastung jedes einzelnen Versuchstieres abgewogen werden. Eine umfangreiche Literaturrecherche muss vorab klären, ob der geplante Versuch nicht bereits woanders durchgeführt wurde und somit verzichtbar wäre (3R-Prinzip). Erst nach diesen Vorarbeiten kann der Tierversuch beantragt werden.
Bei der Entscheidung über die Genehmigung oder Ablehnung eines Tierversuchsantrages wird die Behörde durch eine Kommission nach §15 Tierschutzgesetz beratend unterstützt, die sich intensiv mit jedem Antrag befasst. In dieser Kommission sind sowohl Mitglieder, die grundlegende Fachkenntnisse zu Tierversuchen haben, als auch Vertreter aus Vorschlaglisten von Tierschutzorganisationen.
Tierversuche stellen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor ein ethisches Dilemma: auf der einen Seite versuchen sie neues Wissen zu schaffen und auf der anderen Seite müssen sie dazu auf Tierversuche zurückgreifen, bei denen den Tieren Schmerzen oder Leiden entstehen können. Für diesen Konflikt gibt es keine befriedigende Lösung, so lange Untersuchungen an Tieren oft die einzige Möglichkeit darstellen, Erkenntnisse über die Vorgänge in der Natur zu gewinnen.
Deswegen sind bestmögliche Haltungsbedingungen und ein verantwortungsvoller Umgang mit den Tieren für Forschungsvorhaben eine ethische Verpflichtung. Die Forscherinnen und Forscher sind darauf bedacht, die Anzahl der Tierversuche wie auch die Belastung der Tiere in den einzelnen Versuchen so gering wie möglich zu halten. Bei der Planung und Durchführung der Versuche wenden sie das sogenannte 3R-Prinzip an. Darüberhinaus tragen Tierärztinnen, qualifizierte Tierpfleger:innen und Tierschutzbeauftragte dafür Sorge, dass alle notwendigen Voraussetzungen zum Wohl der Tiere gegeben sind.
Das 3R-Prinzip
Die 3Rs „Replacement, Reduction, Refinement“ – im Deutschen sinngemäß „vermeiden, vermindern, verbessern“ – sind die Grundlage für die Planung und Durchführung aller Versuche mit Tieren am Institut. Die Begriffe wurden von den beiden britischen Forschern, dem Zoologen William Russell und dem Mikrobiologen Rex Burch geprägt und 1959 in ihrem Buch „The Principles of Humane Experimental Technique” als ein Grundsatz der experimentellen wissenschaftlichen Arbeit veröffentlicht.
Das 3R-Prinzip hat zum Ziel, Tierversuche wo immer es geht zu vermeiden, die Zahl der Tiere zu verringern und das Leiden der Versuchstiere in Versuchen auf das unerlässliche Maß zu beschränken. Das 3R-Prinzip ist eine rechtliche Anforderung (2010/63/EU) und zugleich eine ethische Verpflichtung (White Paper), der alle Mitarbeitenden am MPI-IE, die an Tierversuchen beteiligt sind, folgen.
Ein Tierversuch darf nur durchgeführt werden, wenn es keine geeignete Alternativmethode gibt, um die Forschungsfrage zu beantworten. Es geht also darum noch vor Versuchsbeginn, wenn möglich, andere Möglichkeiten für das Tierexperiment zu finden. Das umfasst meist neben Versuchen in Zellkulturen (In-vitro-Tests) auch den Einsatz von Computersimulationen. Auch der Rückgriff auf andere Lebewesen wie etwa Fruchtfliegen (D. melanogaster) oder Würmer (C. elegans) kann bei bestimmten Fragestellungen helfen, Tierversuche mit höher entwickelten und empfindungsfähigen Lebewesen zu ersetzen.
Die Anzahl der Versuchstiere wird so weit wie möglich reduziert. Das beginnt bereits mit optimalen Haltungsbedingungen und artgerechtem Handling der Tiere, um verlässliche Ergebnisse zu produzieren und keine Versuche wiederholen zu müssen. Gleichzeitig hilft ein kluges Studiendesign und eine gute Studienauswertung, dass auch bei möglichst geringer Anzahl an Tieren und Versuchen trotzdem statistisch abgesicherte Ergebnisse entstehen. Auch der Einsatz von bildgebenden Verfahren kann helfen Tierversuche zu reduzieren, indem die Tiere so schonender und wiederholt untersucht werden können (z.B. zur Überprüfung des Tumorwachtums).
Um die Tiere bei den Versuchen möglichst wenig zu belasten, werden Methoden und Haltung ständig im Hinblick auf die neuesten Erkenntnissen verbessert. So erzeugen beispielsweise neue Handling-Methoden weniger Stress bei Mäusen, wenn diese mithilfe von Röhren (Tunnel-Handling) aus den Käfigen gehoben werden.
Bei den Experimenten steht im Vordergrund, stets die schonendste Versuchsmethode zu wählen, möglichst kurze Experimente zu nutzen und auftretende Schmerzen konsequent zu behandeln. Auch beim Refinement ermöglichen es bildgebende Verfahren schonendere Versuche durchzuführen, um Bilder und Videos vom Körperinneren zu erstellen, ohne dabei Operationen machen zu müssen oder das Leben eines Versuchstieres zu beenden.
Das vierte R – für Verantwortung
Darüber hinaus verpflichtet sich die Max-Planck-Gesellschaft in einer Grundsatzerklärung (White Paper – Tierversuche in der Max-Planck-Gesellschaft, 2016) zu einem vierten „R“ für „Responsibility“ (Verantwortung). Als Forschende in der MPG sehen wir uns in der besonderen Verantwortung, unser breites wissenschaftliches Know-how in den Dienst des Tierschutzes zu stellen und gleichzeitig die Qualität der Forschung weiter zu verbessern. Das heißt für uns, dass wir nicht nur die höchsten Qualitätsstandards in der Tierhaltung und bei den tierexperimentellen Vorhaben gewährleisten, sondern auch aktiv die Maßnahmen und Programme der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung des Tierschutzes in der biomedizinischen Forschung unterstützen. Zum vierten R gehört auch die Teilnahme am ethischen Diskurs in der Öffentlichkeit zum dem Thema Tierversuche, den wir auf professioneller Basis führen möchten.
Gesetzliche Grundlagen & behördliche Informationen
Europäische Richtlinie zum Schutz von Versuchstieren Mit der Richtlinie 2010/63/EU setzt die EU den Grundsatz „Reduce, refine, replace“ (3R, vermindern, verbessern, vermeiden) in ganz Europa um.
Das deutsche Tierschutzgesetz „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen.“ (§1 TierSchG)
Tierschutz-Versuchstierverordnung (TierSchVersV) Verordnung über den Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere
Deutsches Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) koordiniert bundesweit alle Aktivitäten, um Tierversuche auf das unerlässliche Maß zu beschränken und Versuchstieren den bestmöglichen Schutz zu gewähren.
AnimalTestInfo vom Bf3R bereitgestellte Datenbank zu Tierversuchsvorhaben in Deutschland. Es werden genehmigte Tierversuchsvorhaben mit allgemein verständlichen Projektzusammenfassungen anonym veröffentlicht.