Auf Markierungen achten

Epigenetische Forschung findet zwei Subtypen von insulinbildenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse

1. April 2023

Forscher des Van-Andel-Instituts und des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik haben unter der Leitung von J. Andrew Pospisilik zwei verschiedene Subtypen von Betazellen der Bauchspeicheldrüse identifiziert, die sich durch epigenomische Merkmale, Größe, Form und Funktion unterscheiden. Die Ergebnisse vermitteln ein neues und differenzierteres Bild der Biologie der Betazellen und könnten zukünftig neue Schritte in der Diabetesforschung ermöglichen.

Wenn der Blutzuckerspiegel steigt, produzieren die Betazellen der Bauchspeicheldrüse das Hormon Insulin, um den Zuckerspiegel im Gleichgewicht zu halten. Wenn die Zahl der Betazellen jedoch zu niedrig ist oder sie nicht einwandfrei arbeiten, wird nicht genügend Insulin ausgeschüttet, was auf schwere Krankheiten wie Diabetes hinweist. Neue Forschungsergebnisse eines Teams des Van Andel Institute (USA) und des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik in Deutschland liefern nun ein neues und nuanciertes Verständnis der Biologie der Betazellen. Die Ergebnisse könnten in Zukunft die Diabetes-Therapie verbessern.

Seit den 1960er Jahren ist bekannt, dass sich Betazellen voneinander unterscheiden können. Die Mechanismen zur Ausprägung und Stabilisierung echter Betazell-Subtypen sind jedoch noch wenig bekannt. Die neuesten Ergebnisse des Teams aus Freiburg und den USA, die in der Zeitschrift Cell Metabolism veröffentlicht wurden, identifizieren zwei spezifische und funktionell unterschiedliche Betazell-Subtypen auf der Grundlage ihres epigenetischen Profils.

Unterschiedliches Chromatin, unterschiedliche Zellsubtypen

Alle Zellen in einem mehrzelligen Organismus haben dieselbe DNA-Sequenz in ihren Zellkernen. Dennoch ist der Phänotyp jedes einzelnen Zelltyps bzw. Subtyps einzigartig und wird durch spezifische Genexpressionsmuster bestimmt. Diese Muster werden durch eine Reihe von epigenetischen Mechanismen bewirkt, die nicht die genetische Information selbst verändern, sondern beeinflussen, was an bestimmten Stellen der DNA mit dieser geschieht – also ob bestimmte Gene aktiviert werden oder nicht. „Als wir Zellkerne von Betazellen der Maus untersuchten, beobachteten wir zwei verschiedene Subtypen von Zellen, die sich vor allem durch ihre Chromatinstruktur im Zellkern unterschieden,“ sagt Erez Dror, Erstautor der Studie aus Freiburg. Im Zellkern ist die DNA um Histonproteine gewickelt, die das Chromatin bilden. Dieses kann durch kleine chemische Markierungen verändert werden, die sich auf die Zugänglichkeit der DNA auswirken. Chemische Markierungen, die den Verpackungsgrad von DNA und Histonproteine erhöhen, verdichten das Chromatin und legen Gene still. Andere Markierungen öffnen das Chromatin und ermöglichen Genaktivität in diesem Bereich.

Epigenetische Dosis als Regulator von Zelltypen

Die beiden Betazelltypen unterscheiden sich in der Konzentration von H3K27me3, einer chemischen Markierung, die sich an Histonproteine anlagert und Gene stilllegt. „Wir haben festgestellt, dass sie sich in zwei epigenetisch unterschiedliche Untergruppen aufteilen, eine mit hohem (ßHI) und eine mit niedrigem (ßLO) Gehalt für diese spezifische Histonmodifikation. Wir vermuteten, dass sich dies nicht nur morphologisch zeigt, da die Chromatinstruktur schließlich die Expression von Genen in den Zellen und somit deren Funktion beeinflusst,“ sagt Erez Dror vom Max-Planck-Institut in Freiburg. Das Team benötigte jedoch insgesamt sechs Jahre und eine Menge an Forschungsaufwand, um schließlich zu beweisen, dass es sich bei den anfänglich beobachteten Zellen mit unterschiedlicher Chromatinstruktur tatsächlich um zwei verschiedene Betazell-Untertypen handelt, die sich in epigenomischen Merkmalen, Größe, Form und  vor allem Funktion unterscheiden.

Bemerkenswert ist vor allem, dass βHI-Zellen im Mausmodell bei der Stimulation durch Zucker mehr Insulin ausschütten und bei Typ-2-Diabetes häufiger vorkommen. Das bedeutet für die Forscher, dass es möglicherweise eine subtypspezifische Reaktion auf die Zuckerkrankheit gibt.

Die Ergebnisse bieten erstmals ein präziseres Verständnis der Betazelbiologie und könnten dazu beitragen, neue Diabetes-Behandlungsstrategien zu entwickeln. „Wir wissen immer noch nicht, was die unterschiedlichen Chromatinstrukturen der β-Zellen beeinflusst. Deshalb wäre es wichtig zu untersuchen, wie etwa Stoffwechselstress und Entzündungssignale, die bei Diabetes verstärkt auftreten, das Niveau der H3K27me3-Markierungen und die Funktionen in den Zellen beeinflussen,“ sagt Erez Dror.

ED/MR

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