Thomas Boehm erhält Mendel-Medaille der Leopoldina
Die Evolution des Immunsystems verstehen: Max-Planck-Direktor von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina geehrt
Thomas Boehm erhält für seine herausragenden Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Immunbiologie die Mendel-Medaille 2024 der Leopoldina. Der Max-Planck-Direktor erforscht die genetischen Grundlagen des Immunsystems und dessen Entwicklung im Laufe der Evolution.
Mit seinen Entdeckungen hat Thomas Boehm unser Verständnis vom Immunsystem der Wirbeltiere grundlegend verändert. Dafür wird der Immunologe von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina mit der Mendel-Medaille geehrt. Durch umfangreiche Studien an so unterschiedlichen tierischen Organismen wie Mäusen, Zebrafischen, Haien und Neunaugen gelang es ihm zentrale Konstruktionsprinzipien der zellulären Immunität bei Wirbeltieren aufzudecken, die die Basis schufen für ein besseres Verständnis der Anpassungsfähigkeit des Immunsystems.
So klärte er die Mechanismen der T-Zell-Entwicklung auf, identifizierte die molekularen Grundlagen verschiedener Immunschwächekrankheiten und konnte die ersten Krebsgene (Onkogene) bei T-Zell-Leukämien identifizieren. Boehm untersucht insbesondere die Funktion eines zentralen Steuerungsorgans, des Thymus. Im Thymus werden Zellen aus dem Knochenmark in T-Zellen (Abwehrzellen) umgewandelt, die dann Infektionen bekämpfen und Autoimmunerkrankungen unterdrücken. Boehm identifizierte mit seiner Forschungsgruppe das Gen FOXN1, und wies nach, dass es bei allen Wirbeltieren für die Thymusentwicklung notwendig ist.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Erforschung des evolutionären Ursprungs der MHC-vermittelten Peptidpräsentation. MHC-Moleküle spielen eine entscheidende Rolle bei der Präsentation von Proteinfragmenten (Peptiden) aus Zellen, Viren oder Bakterien. Diese Präsentation ermöglicht es dem Immunsystem, zwischen körpereigenen und körperfremden Substanzen zu unterscheiden.
Herausragende Veröffentlichungen von Thomas Boehm
Um Krankheiten zu bekämpfen, will Thomas Boehm zudem Fehlfunktionen des Immunsystems korrigieren, wie sie sich beispielsweise bei Autoimmunerkrankungen also Angriffe auf körpereigenes Gewebe zeigen. Mit seinem Team arbeitet er auch daran, künstliches Thymusgewebe im lebenden Organismus zu induzieren. Im Mausembryo ist dies bereits gelungen. Langfristiges Ziel ist es, künstliches Thymusgewebe an jeder beliebigen Stelle im Körper zu erzeugen, um die Auswirkungen erkrankten Gewebes auszugleichen.
Die Preisverleihung findet im Rahmen des Symposiums der Klasse III – Medizin am Mittwoch, den 10. Juli 2024, in Halle (Saale) statt. Thomas Boehm wird in einem Vortrag seine Forschung vorstellen. Weitere Informationen zur Veranstaltung.
Biographie Thomas Boehm
Thomas Boehm studierte Humanmedizin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main mit Studienaufenthalten an der Columbia University in New York und am Royal Marsden Hospital in London. 1982 promovierte Thomas Boehm in Frankfurt, wo er sich im Jahr 1988 auch habilitierte. Einer fünfjährigen Tätigkeit am MRC Laboratory of Molecular Biology in Cambridge (GB) folgten eine Professur für Medizinische Molekularbiologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und eine Professur für Experimentelle Therapie am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg. Seit Januar 1998 ist er Direktor der Abteilung Entwicklung des Immunsystems am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und Honorarprofessor an der Medizinischen Fakultät der dortigen Universität. Thomas Boehm ist gewähltes Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften, unter anderem der European Molecular Biology Organization (EMBO), der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Heidelberger Akademie der Wissenschaften sowie der American Academy of Arts & Sciences. 2018 übernahm er den Vorsitz des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung. Thomas Boehm wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, unter anderen mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis (1997), dem Ernst Jung-Preis für Medizin (2014) dem Deutschen Immunologie-Preis der Deutschen Gesellschaft für Immunologie e. V. (2020) und mit dem Heinrich-Wieland-Preis (2021).
Über die Mendel-Medaille
Die Mendel-Medaille wurde 1965 zu Ehren Gregor Mendels (1822–1884), dem Begründer der Vererbungslehre, gestiftet. Mit der Auszeichnung würdigt die Leopoldina Pionierleistungen auf dem Gebiet der allgemeinen und molekularen Biologie oder Genetik. Zu den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern gehören der Biophysiker und Nobelpreisträger Max Delbrück (1967) und der Biologe Sydney Brenner (1970), der 2002 den Medizin-Nobelpreis erhielt. 2022 wurde die Biologin und Medizinnobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard mit der Mendel-Sondermedaille geehrt.
Über die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina
Als Nationale Akademie der Wissenschaften leistet die Leopoldina unabhängige wissenschaftsbasierte Politikberatung zu gesellschaftlich relevanten Fragen. Dazu erarbeitet die Akademie interdisziplinäre Stellungnahmen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse. In diesen Veröffentlichungen werden Handlungsoptionen aufgezeigt, zu entscheiden ist Aufgabe der demokratisch legitimierten Politik. Die Expertinnen und Experten, die Stellungnahmen verfassen, arbeiten ehrenamtlich und ergebnisoffen. Die Leopoldina vertritt die deutsche Wissenschaft in internationalen Gremien, unter anderem bei der wissenschaftsbasierten Beratung der jährlichen G7- und G20-Gipfel. Sie hat rund 1.700 Mitglieder aus mehr als 30 Ländern und vereinigt Expertise aus nahezu allen Forschungsbereichen. Sie wurde 1652 gegründet und 2008 zur Nationalen Akademie der Wissenschaften Deutschlands ernannt. Die Leopoldina ist als unabhängige Wissenschaftsakademie dem Gemeinwohl verpflichtet.